Kormoran (Phalacrocorax carbo)

Artikel zum Kormoran finden Sie bei den Verbänden LBV und NABU

LBV: "Konflikt um den Fisch fressenden Vogel"

NABU: Der Kormoran ist „Vogel des Jahres 2010“

Kormoran hat laut Hobby-Fischer Bulimie (Fressstörung)

Lesen Sie dazu die sachliche Untersuchung des Zoologen, Evolutionsbiologen und Ökologen Prof. Josef H. Reichholf unten (Dateidownload):

Verzehren überwinternde Kormorane (Phalacrocorax carbo) abnorm hohe Fischmengen
Reichholf_Braunau_5_0165-0174.pdf
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Wintergast und Zugvogel in Niederbayern - der Kormoran

 

Name und kurzer historischer Rückblick

Der wissenschaftliche Name leitet sich her aus dem lateinischen corax, der Raabe, aus dem griechischen phalacro, der kahlköpfige und wiederum aus dem lateinischen carbo, Kohle. Der deutsche Name dieser Vogelart stammt aus altfranzösisch cormareng bzw. aus der noch älteren Form corp mareng „Meerrabe, Wasserrabe“ und geht letztlich auf spätlateinisch corvus marinus mit gleicher wörtlicher Bedeutung zurück (vgl. Duden Wörterbuch).

 

Im "HANDBUCH DER VÖGEL MITTELEUROPAS (BAND 1)" beschreibt Urs N. Glutz von Blotzheim in der 1. Auflage von 1966 den Kormoran wie folgt:

Biotop: Vorwiegend marin. Brütet meist auf Klippen, nur ausnahmsweise auf Bäumen (GREGORY, Brit. Birds 41, 1948). Hält sich auch zur Zugzeit an die Küste; fischt aber regelmäßig auch in brackigen und küstennahen süßen Gewässern.

Brutgebiet: Kola-Halbinsel, Nordfinnland, Norwegische Küste (südwärts früher bis Rogaland, jetzt bis Lofoten), Britische Inseln (verbreitet), Färöer (spärlich), Island, im Süden und Westen Grönlands nordwärts bis 72° N und Nordamerika (von Südlabrador bis Neuschottland).

Wanderungen: Hält sich auch zur Zugzeit an die Küsten. Etwa die Hälfte der britischen Jungvögel und ein größerer Teil der Alten überwintern an den Heimatgewässern, die anderen ziehen südwärts bis in die westlichen Mittelmeerländer und das nordwestliche Afrika, wie Rückmeldungen beringter Ph. c. carbo aus Frankreich, Spanien und Portugal beweisen. Das normale Winterquartier reicht südwärts bis Rio de Oro und zu den Kanaren; die Rasse wurde außerdem auch auf den Azoren festgestellt. In Mitteleuropa gibt es so gut wie keine Kormorannachweise bis Ende der sechziger Jahre.

Heute wissen wir, der historische Rückblick von Glutz von Blotzheim greift zu kurz. Die Art ist einheimisch. Tatsächlich haben Kormorane seit der Eiszeit hier gelebt und im Mittelalter und in der frühen Neuzeit nahezu überall in Mitteleuropa gebrütet.

(Vgl. Dirk Heinrich: Zum vor- und frühgeschichtlichen sowie neuzeitlichen Vorkommen des Kormorans, Phalacrocorax carbo, in Schleswig-Holstein und angrenzenden Gebieten.)

Im Mittelalter ließen viele Klöster in ihrer Umgebung Fischteiche anlegen oder sie nutzten natürliche Weiher zur Fischzucht. Besonders in der Fastenzeit zählte Fisch zur Hauptspeise, wobei meist Karpfen, Hecht und Barsch, aber auch Forellen und Edelkrebse auf den Tisch kamen. Mit den klösterlichen Teichwirtschaften wird der Kormoran zum „Kulturfolger“.

 

1920 schon einmal in Mitteleuropa ausgerottet

Als Fischfresser wurde der Kormoran als Nahrungskonkurrent des Menschen besonders im 18. und 19. Jahrhundert verfolgt und bejagt. Um 1920 wird die Art im mitteleuropäischen Binnenland praktisch ausgerottet.

Mit Erstarken des Natur- und Vogelschutzes entstehen in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts wieder Brutkolonien an Nord- und Ostsee. Was aber hat zur Wiederverbreitung des Kormorans im Binnenland beigetragen?

 

Mit der Anzahl der Hobby-Angler steigt die Anzahl der Kormorane

Seit den sechziger Jahren steigt die Anzahl der Hobby-Angler stetig und proportional dazu die Anzahl Kormorane im Binnenland und auch bei uns in Bayern und an Isar und Vils.

 

Im Jahr 2021 gab es in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren rund 1,08 Millionen Personen, die häufig in ihrer Freizeit angeln oder fischen gingen. 5,56 Millionen Personen geben an ab und zu zu angeln. Wie kommen so viele Menschen mit ihrem Hobby auf Dauer zu einem Fangerlebnis in unseren heimischen Binnengewässern?

 

Viele unserer heimischen Gewässer sind in einem schlechten ökologischen Zustand, gerade was den Lebensraum für unsere Fischarten betrifft. Steile, betonierte Dämme für den Hochwasserschutz und Querverbauungen für Kraftwerke sowie ein ausgeräumtes Flussbett sind Hauptursachen dafür, dass sich der Fischbestand nicht selber ausreichend reproduzieren kann. Bei der Isar vom Mittleren-Isar-Kanal bis Plattling (73 Kilometer) wird für den aktuellen Gewässerbewirtschaftungszeitraum bis 2027 „ökologisches Potenzial unbefriedigend“ vom Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) angegeben. Bei zusätzlichen tausenden von Sportanglern, die die genannte Flussstrecke der Isar für ihr Hobby nutzen, muss ein natürlicher Fischbestand letztendlich zusammenbrechen.

 

Das Hobby „Sportangeln“ funktioniert auf Dauer nur, wenn durch das Angeln entnommene Fische in nahezu fangbaren Entwicklungsstadien in Flüssen und Seen schnell wieder eingesetzt werden. Diese Maßnahmen müssen jährlich durchgeführt werden und nennen sich „Fischbewirtschaftung“. Während der Teichwirt Forellen und Karpfen für den menschlichen Verzehr produziert und davon lebt, sind diese Besatzfische teil eines Sports, der als Naturschutz anerkannt ist. Der „natürliche“ Fischbestand unserer Flüsse und Seen wird durch diese Fischbesatzmaßnahmen „erhalten“. Für die Angelsportvereine ist es eine teure jährliche Investition von mehreren Zehntausend Euro. Von großen Vereinen werden auch 100.000 Euro überschritten. 

 

Kormoran besonders geschützt in Europa

Der Kormoran ist als europäische Vogelart besonders geschützt (§ 7 Abs. 2 Nr. 13 b, BNatSchG). Damit greifen die Verbote (Fang, Verletzung, Tötung) des § 44 Abs. 1 BNatschG, die allerdings durch Ausnahmeverordnung eingeschränkt werden können (§ 45 Abs. 7), wenn dies zum Beispiel zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden oder zum Schutz der heimischen Tierwelt erforderlich ist.

 

Der Kormoran ist ein Nahrungsopportunist, er nimmt sich, was er am leichtesten fangen kann. Das sind Besatzfische aus Fischzuchtanlagen, die in den Wintermonaten für den künftigen Fangerfolg der Hobby-Angler in unsere Flüsse und Seen eingesetzt werden. Damit gerät der schwarze Vogel in einen Interessenkonflikt, den er leider nicht überlebt.

 

Fischereiwirtschaftliche Schäden können für das Hobby „Angelsport“ nicht reklamiert werden. Aber der „Schutz der heimischen Tierwelt“ wurde von den Fischereivereinen politisch erfolgreich gegen den Kormoran durchgesetzt. Welchen Einfluss Fangerfolg und die verschiedenen Besatzmengen und Fischarten auf einen natürlichen Fischbestand auf Dauer haben, wird nicht gefragt. Zumindest sollten Fischbesatzmaßnahmen in FFH-Gebieten, wie der Isar, einer FFH-Verträglichkeitsprüfung unterzogen werden.

Man hätte ja auch das Sportangeln zum Schutz der heimischen Fischarten verbieten können um zu sehen, wie sich der Fischbestand ohne Freizeitnutzung und Fischbesatzmaßnahmen an unseren Flüssen und Seen gerade in diesen FFH-Gebieten entwickelt. Aber damit hätte man ein Milliardengeschäft der Freizeitindustrie wohl ins Wanken gebracht. 6,4 Mrd. Euro beträgt der ökonomische Gesamtnutzen der Angelfischerei in Deutschland pro Jahr (Quelle: Arlinghaus 2004) für Angelausrüstung, Bekleidung, Fischbesatz und Pachtzahlungen an den Staat u.v.m.

 

 

Das Todesurteil

Um den „natürlichen“ Fischbestand in unseren Gewässern zu sichern wurde 1996 von der Bayerischen Staatsregierung eine artenschutzrechtliche Ausnahmeverordnung (AAV), umgangssprachlich kurz Kormoranverordnung, eingeführt (zuletzt geändert am 16.07.2008). Damit wurde eine Abschusserlaubnis für Kormorane in der Zeit vom 16. August bis 14. März und im Umkreis von 200 m um Gewässer außerhalb von Naturschutzgebieten, Nationalparken und europäischer Vogelschutzgebiete bayernweit erteilt und zuletzt bis 16.07.2027 verlängert

(vgl. LfU Kormoranmanagement - LfU Bayern).

 

In der AAV Verlängerung vom 18. Mai 2012 heißt es dann noch:

"Aufgrund der regelmäßige Präsenz des Kormorans vor allem in den Herbst- und Wintermonaten an der frei fließenden niederbayerischen Donau besteht zum Schutz der heimischen Fischfauna die Notwendigkeit, erforderliche Maßnahmen zu ergreifen, um den Fraßdruck zu reduzieren und ein Überleben der Bestände bedrohter Fischarten, vor allem in den Winterlagern zu ermöglichen. Die Kulisse für den Abschuss beschränkt sich somit bewusst auf die Donaualtwässer des EU-Vogelschutzgebietes „Donau zwischen Straubing und Vilshofen“ und nicht auf die Donau als Fließgewässer selbst. Mit dem Aussparen der Donau aus der Abschusskulisse wird deren nationaler Bedeutung als Rast- und Überwinterungsplatz für Wasservögel Rechnung getragen.

Die oben dargestellte Sachlage rechtfertigt die Zulassung einer Ausnahme von den artenschutzrechtlichen Verboten im festgesetzten Umfang. Zumutbare Alternativen sind zum Erhalt der Vielfalt charakteristischer Fischarten nicht gegeben;“

Und dann wird noch darauf hingewiesen: "Durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22. Juni 2007 (GVBl Nr. 13/2007) wurde das Widerspruchsverfahren im Bereich des Naturschutzes abgeschafft. Es besteht keine Möglichkeit, gegen diesen Bescheid Widerspruch einzulegen."

In Kormoran-Abschüssen ausgedrückt heißt dies, dass nahezu der gesamte Winterbestand des Kormorans in Bayern getötet wird (vgl. rote Kurve unten):

Quelle vgl. LfU Bayern Winterbestand des Kormorans und Abschusszahlen:    Kormoranmanagement - LfU Bayern

Der Vollzug, die letale Vergrämung

Im "Leitfaden zum Kormoranmanagement", herausgegeben vom Landesamt für Umwelt, Sonnefeld 2019, beschreibt der Autor Mathias Ruff im Kapitel 5.4 die letale Vergrämung an Fließ- und Stillgewässern. Die folgenden Zitate sind dem Leitfaden entnommen und werden nicht weiter interpretiert:

[...] „Letale Vergrämungen sind in der Regel an Schlafplätzen am effizientesten“ (Seite 11).

[...] „Anhand der Meldungen über Kormoranbeobachtungen an Schlafplätzen können die regionalen Koordinatoren bzw. die Jagdberechtigten den optimalen Zeitpunkt einer Vergrämaktion festlegen und mit allen Beteiligten koordinieren. Dieser Zeitpunkt ist gegeben, sobald ein Schlafplatz regelmäßig mit mehreren Kormoranen besetzt ist“ (Seite 11).

[...] „Um mit den Abschüssen an den Schlafbäumen die beste Vergrämwirkung zu erzielen, sollten sich die Schützen schon ab Mittag in Tarnkleidung in ihre Unterstände an den Schlafplätzen begeben und einzelne Kormorane mit der Flinte aus anfliegenden Trupps schießen“ (Seite 11).

[...] „An einigen Gewässern ist es schwer, auf Schrotschussdistanz an die Vögel heranzukommen. Da die Erfahrung gezeigt hat, dass Kormorane bei wirklichen Abschüssen einzelner Vögel anhaltend zu vergrämen sind, kann mit der Methode der Lockjagd die Anzahl an Abschüssen in vergleichsweise kurzem Zeitraum und damit der Vergrämeffekt gesteigert werden. Ziel dabei ist, die einfliegenden Kormorane in einen bestimmten, nahe zum Schützen gelegenen Teil des Gewässers und auf Schussentfernung zu manövrieren. Um dies zu erreichen, haben sich Lockvögel aus Kunststoff als hilfreich erwiesen“ (Seite 13).

 

Das Ende

Da es für den Kormoran so gut wie keine Rückzugsgebiete mehr an bayerischen Gewässern gibt (AAV: Abschusserlaubnis für Kormorane in der Zeit vom 16. August bis 14. März und im Umkreis von 200 m um Gewässer), wird nahezu der Gesamtbestand der Wintergäste, die von Nord- und Ostsee zu uns kommen, weggeschossen. Dennoch hat sich in den letzten Jahren die Zahl der „Winterkormorane“ aus Sicht der Hobby-Angler immer noch nicht genügend verringert. Deshalb strebt man ein europäisches Kormoranmanagement an, um den Kormoran europaweit zu dezimieren, wie dies schon einmal Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts der Fall war. In dieser Zeit war der Kormoran in Mitteleuropa nahezu ausgerottet.